Oldenburger Bauhäusler
100 Jahre Bauhaus: „Die Welt neu entdecken“
Dem Architekten Hans Martin Fricke (1906–1994) kommt dabei die Rolle des Januskopfs zu: Auf sein Leben und Werk trifft zu, was der Architekturhistoriker Werner Durth in seiner Studie „Deutsche Architekten“ (1986) als „biographische Verflechtungen“ beschrieben hat: Fricke, der in der Weimarer Republik am Bauhaus studiert hatte und während der Zeit des „Dritten Reichs“ als NS-Kulturpolitiker und Architekt tätig war, wurde in der Nachkriegszeit zu einer bedeutenden Kraft des Wiederaufbaus in Oldenburg. Während seine Bauten aus den 1920er Jahren, die den Reformgeist der Weimarer Republik repräsentierten, heute nur in Entwurfsskizzen und Fotografien überliefert sind, zeugen seine Nachkriegsbauten von dem Wiederanknüpfen an die Moderne in der jungen Bundesrepublik. Die gebürtigen Oldenburger Karl Schwoon und Hermann Gautel verdankten ihre Aufnahme am Bauhaus Dessau wesentlich der Unterstützung von Walter Müller-Wulckow. Hermann Gautel (1905–1945) hatte erste Impulse bereits am Oldenburger Werkhaus erhalten, wo er auch Karl Schwoon kennenlernte. Nach seinem Studium am Bauhaus Dessau, wo er gemeinsam mit Marianne Brandt und Hin Bredendieck in der Metallwerkstatt arbeitete, eröffnete er in der Oldenburger Innenstadt (Burgstraße 4) ein innovatives Einrichtungsgeschäft und gab die Ideen des vom Bauhaus inspirierten modernen Innenraumdesigns in die Region weiter – bisweilen im Sinne einer „Neuen Gemütlichkeit“, entschärft durch die Kombination von Stahlrohr mit Polsterungen. Karl Schwoon (1908–1976), der zunächst als Bühnenmaler im Malersaal des Oldenburger Landestheaters gearbeitet hatte, erhielt am Bauhaus wesentliche Anregungen von Klee und Kandinsky. Nach dem Krieg kam er zurück nach Oldenburg und verschrieb sich hier, als Geschäftsführer des Oldenburger Kunstvereins und später mit seiner eigenen „galerie schwoon“, programma¬tisch dem kulturellen Wiederaufbau Nachkriegsdeutschlands. „Wir haben es erlebt, dass ernste Kunst zur Banalität gestempelt werden kann, wenn man bewusst diesen äußeren Rahmen zerschlägt und propagandistische Methoden durch entsprechende Plakatierung der Kunstwerke anwendet“, erinnerte er bei der Eröffnung seiner Galerie an den nationalsozialistischen Bildersturm und warb für eine Offenheit der zeitgenössischen Kunst gegenüber. Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der frühen Nachkriegszeit gehört jedoch auch die Tatsache, dass seine Galerie aufgrund ökonomischer Zwänge bereits nach wenigen Jahren schließen musste, bevor Schwoon Bildredakteur der westdeutschen Radio- und Fernseh-Illustrierten „Hör Zu!“ wurde. Der Lebensweg Hin Bredendiecks (1904–1995), der in Aurich geboren wurde, steht für die tragische Geschichte der Vertreibung des Bauhauses aus Deutschland, die schließlich jedoch wesentlich zum Export und der weltweiten Verbreitung des Bauhaus-Gedankens führte. Nach seiner außerordentlich erfolgreichen Mitarbeit in der Metallwerkstatt des Bauhauses und einem Aufenthalt in der Schweiz, wo er mit Sigfried Giedion und Max Bill zusammenarbeitete, kam er 1934 nach Oldenburg, von wo aus er 1937 nach Amerika emigrierte. Als Lehrer des von Walter Gropius und László Moholy-Nagy begründeten „new bauhaus chicago“ vermittelte er die Bauhaus-Ideen in die „Neue Welt“, bevor er schließlich am Departement of Industrial Design der Georgia Tech in Atlanta zu einem der Begründer der Industriedesign-Ausbildung wurde. Neben den ebenfalls in die USA emigrierten Bauhaus-Meistern Josef Albers, Herbert Bayer, Marcel Breuer, Lyonel Feininger, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und László Moholy-Nagy wurde er zu einem der einflussreichsten und am nachhaltigsten wirkenden Vertreter der Bauhaus-Ideen in Amerika. Der unerwartete Fund von Bredendiecks umfangreichem künstlerischem Nachlass im Januar 2018 war ein außerordentlicher Glücksfall für das Oldenburger Projekt und trägt – da die Untersuchungen hierzu noch nicht abgeschlossen sind – noch immer zu neuen Erkenntnissen bei.